Molkerei Froede
- Eine Jesteburger Firmengeschichte
Bis ca. 1850 gab es Milch, Butter und Käse nur von den Landwirten zum Eigenbedarf, ergänzend wurde etwas Kleinhandel in der Nachbarschaft betrieben. Ein „einfacher“ Bauer hatte ein oder zwei Kühe je Hof. Als Großbauer galt, wer bis zu 10 Kühe hatte. Damals gab eine Kuh maximal 1.000 Liter Milch pro Jahr. Heute liegt die durchschnittliche Milchleistung einer Kuh bei ca. 8.250 Liter. Genug Milch um mehr 450 Kilogramm Butter (1.800 Päckchen je 250 Gramm) herstellen
Im Jahr 1885 gründete die “Actien-Meierei Gesellschaft aus Hamburg“ in Jesteburg einen Filialbetrieb auf dem Grund und Boden des Bauernhofes „Hermann Meyer“ (Meyershus, später Familie Uhlen).
Paul Froede (08.08.1868-20.02.1943) übernahm gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und einem Gehilfen den Filialbetrieb in Jesteburg. Die Molkerei wurde um einen 15 Meter hohen Schornstein erweitert und es wurde eine Dampfmaschine der Firma Alfred Gutmann aus Altona-Ottensen (gegr. 09.01.1885 und 1889 in die Alfred Gutmann AG für Maschinenbau aufgegangen) erworben. Die Maschine hatte eine Leistung von 4 PS und wurde mit Steinkohle beheizt.
Die Milch wurde täglich aus den umliegenden Ortschaften angeliefert. Bis zu 70 Milchviehhalter mit 264 Milchkühen standen unter Vertrag. Die Meierei Actien Gesellschaft in Hamburg hatte z.B. dem Bauern Rieckmann aus Hanstedt für den Zeitraum vom 01.05.1890 bis zum 30.04.1891 zugesichert, die Milch seiner beiden Kühe abzunehmen und ihm dafür je nach Jahreszeit 8,5 bis 9 Pfennige je Liter zu zahlen. Der Bauer Rabeler aus Jesteburg hatte in seinem Milchliefervertrag für den gesamten Zeitraum vom 01.09.1889 bis zum 01.09.1890 für die Milch seiner beiden Milchkühe nur 8 Pfennige pro Liter vertraglich zugesichert bekommen.
In den folgenden Jahren stieg die jährliche Milchproduktion von gut 200.000 Liter auf fast eine Million Liter in Spitzenzeiten.
Am 19.05.1893 lud die Meierei Actien Gesellschaft in Hamburg zu einer ordentlichen und einer außerordentlichen Generalversammlung am 07.06.1893 ein. Auf Antrag des Vorstandes und des Aufsichtsrates sollte über eine Liquidation der Gesellschaft entschieden werden.
Der Vater von Paul Froede Friedrich Otto Froede, Gutsbesitzer aus Wehlen in der Sächsischen Schweiz, kaufte am 15.03.1894 von der Meierei Actien Gesellschaft in Hamburg für 16.000 Mark (nach heutiger Kaufkraft ca. 130.000 Euro) die Jesteburger Meierei mit Grund und Boden, Gebäuden, der 4 PS Dampfmaschine, zwei Milchwagen, 200 Transportkannen und einem Pferd.
Zu diesem Zeitpunkt gab es im Landkreis zwei private Molkereien (Hoopte und Jesteburg) und fünf Genossenschaftsmolkereien (Tostedt, Hollenstedt, Winsen, Brackel, Salzhausen).
Die Geschäfte liefen gut. Die „Milchkutscher“ holten die bereitgestellten Milchkannen von 70 Milchbauern mit 264 Milchkühen aus Asendorf, Dierkshausen, Hanstedt, Jesteburg, Lohof, Lüllau, Schierhorn, Schmalenfelde, Thelstorf und Wiedenhof ab und lieferten die Milch täglich zwischen 6:00 und 9:00 Uhr an. Anfang der 1900er Jahre lieferte die Meierei die Milch auch nach Hamburg. Dafür wurde die Milch über den Jesteburger Bahnhof verladen, der 1912 um eine Milchrampe erweitert wurde. Die neue “Ladestraße” war 150 Meter lang und bot Platz für 16 Wagen.
Doch ab 1904 bekam die Meierei zunehmend Schwierigkeiten, weil die Milch in Hamburg nur „viel teurer“ abgesetzt werden konnte. Viele Molkereien mussten schließen. Auch in Jesteburg wurde der Meiereibetrieb zwischen 1904 und 1914 zeitweise eingestellt.
1905 übernahm Bruder Paul den Betrieb. Er war ein erfolgreicher Großunternehmer: Paul Froede betrieb eine Schweinemast mit über 200 Tieren, versendete Heidekraut als Einstreu an die Kavallerie Preußens und war als Futtermittelhändler tätig. 1908 wurde er in den Vorstand der Jesteburger Spar- und Darlehnskasse gewählt.
In den folgenden Jahren ging die Milchproduktion bedeutend zurück, weil das Milchvieh kein Kraftfutter mehr erhielt. Ein Liter Milch kostete im Frühjahr 1916 20 Pfennig (nach heutiger Kaufkraft ca. 0,70 Euro).
In den 1920er Jahren wurden im Ladengeschäft täglich zwischen 60 und 100 Liter Milch verkauft. Den Milchverkauf in den umliegenden Dörfern übernahmen Milchfahrer.
1924 übernahm Max Hugo Harry Froede (19.09.1904-25.07.1982), vielen bekannt als BOTTERMAX, den Betrieb. Er absolvierte seine Molkereiberufsausbildung im elterlichen Betrieb von 1919-1922 und arbeitete von 1923 bis 1930 als Gehilfe in verschiedenen Betrieben. 1931 legt er seine Meisterprüfung vor der Preußischen Versuchs- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Kiel mit der Note „sehr gut“ ab.
Ab 1936 sorgten zunehmende Versorgungsschwierigkeiten für Unzufriedenheit in der deutschen Bevölkerung. Die Molkerei verpflichtete sich vertraglich in einem Butterücklieferungsvertrag, den Milchlieferanten die für deren Eigenverbrauch erforderliche Milch zu Butter zu verarbeiten. Daran beteiligten sich 93 Milchlieferanten (32 aus Jesteburg, 36 aus Lüllau, Schierhorn, Thelsdorf und 25 aus Itzenbüttel, Bendestorf).
Am 20.03.1936 heiraten Max Froede und Getrud (Trudel) Selle aus Wehlen.
Am 30.01.1939, gut acht Monate vor Kriegsbeginn, wies die Kreisbauernschaft Harburg nochmals darauf hin, dass die Betriebsführer der Molkereien einen „Vorratsbestand an sämtlichen Betriebsstoffen, mindestens ausreichend für 3 Monate“ vorhalten müssen.
Max Froede wurde am 18.04.1939 vom Wehrmeldeamt seine Unabkömmlichkeit „bis zur Gestellung einer gleichwertigen Ersatzkraft“ bescheinigt, da es keine Ersatzkraft im Betrieb gab.
Kurz vor Kriegsbeginn informierte der Kreisbauernführer der Kreisbauernschaft den Eigentümer der Molkerei Max Froede, dass die Molkerei verpflichtet werde, im Mobilmachungsfall ab dem ersten Mobilmachungstag 35 kg Butter und 17 kg Quark an die Wehrmacht, den Reichsarbeitsdienst oder sonstige kasernierte Einheiten (Polizei und dergleichen) zu liefern.
Die Molkerei Froede wurde am 30.01.1943 nach einem Brandbombenangriff der britischen Air Force zerstört. Der 15 Meter hohe Schornstein blieb stehen. Von 1942 bis Anfang 1949 war die Molkerei stillgelegt.
Max Froede begann nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft sofort mit dem Wiederaufbau und Dank der tatkräftigen Unterstützung seiner Ehefrau Getrud Froede konnte die neuaufgebaute Molkerei den Betrieb am 01.03.1949 wieder aufnehmen.
Die Molkerei brachte 1951 täglich mindestens 300 Liter Milch in den Verkehr (Milch, Magermilch, Buttermilch, Sauermilch). Zusätzlich wurde Dosenmilch, Sahne, Butter, alle Käsearten, Speisequark und Schichtkäse verkauft.
Die Produkte wurden sowohl im Laden als auch über die „ambulanten Verkäufer“ W. Zink und Karl Dehn in Jesteburg, Lüllau, Wiedenhof, Itzenbüttel und dem Ortsteil Osterberg der Gemeinde Reindorf vertrieben. Die Anzahl der Milchlieferanten stieg bis 1954 auf 165 an.
1953 erhielt Max Froede die „Anerkennung als Lehrbetrieb und als Lehrherr für die Ausbildung von Molkereilehrlingen in der Molkereigenossenschaft Jesteburg“ von der Landwirtschaftskammer Hannover (Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt) und ließ die Räumlichkeiten der Molkerei umbauen.
Ihr sechzigjähriges Bestehen feierte die Molkerei am 15.03.1954. Gut zweieinhalb Jahre später übernahm Max Froede nach dem Tod seines Vaters am 27.11.1956 offiziell das Familienunternehmen.
Der Fuhrpark in den 50er Jahren. in den 60er Jahren wurden die Erzeugnisse der Molkerei auch z.B. auf Volksfesten verkauft.
1963 übernimmt Manfred Froede (*1938) den Molkereibetrieb und lässt 1967 das Molkereigebäude in Richtung Landwirt Peter Uhlen um ca. 130 qm erweitern.
Zu dieser Zeit verarbeitete die Jesteburger Molkerei jährlich durchschnittlich 1 Million Liter Milch, kurz vor der Auflösung kam sie auf 1,8 Millionen Liter.
Aus „Gründen der Rationalisierung der Be- und Verarbeitung von Milch und der Strukturverbesserung der Molkereiwirtschaft“ wurde 1972 mit der LÜNEbest Molkerei Lüneburg, Hans Stamer KG vertraglich vereinbart, den Molkereibetrieb zum 30.09.1972 stillzulegen und „die Be- und Verarbeitung von Milch und Milcherzeugnissen einzustellen“. Die Milchlieferanten mussten ihre Milch ab dem 01. Oktober in Lüneburg anliefern.
Manfred Froede ließ die Ladenfläche nochmals erweitern und konzentrierte sich bis 1984 auf den Verkauf von Käse, Feinkost und Spezialitäten.
Auf einem Teil der Fläche eröffnete im Juli 1978 der „Peerstall“. Das Ladengeschäft für Reitsportbedarf wurde von Karin Buchholz und Wendy Vollmers betrieben.