Die Ziegelei in Jesteburg
1. Allgemeines
Im Mittelalter wurden die Ziegel im offenen Feldfeuer, also ohne besondere Ofenbauwerke gebrannt. Im 18./19. Jahrhundert benutzte man Einkammeröfen, die jedoch einen geringen Ziegelausstoß hatten. Der im 19. Jahrhundert entwickelte Zweikammerofen garantierte eine höhere Produktion, indem jeweils eine Kammer unter Feuer stand und die andere aus- und eingefahren werden konnte. Dieser Ziegelofen erlaubte erstmals die kontinuierliche und günstige Produktion einer großen Ziegelmenge, erforderte aber auch einen erheblichen Investitionsaufwand. Der Übergang von der bis dahin üblichen handwerklichen zur industriellen Ziegelproduktion in der Zeit von 1860 bis 1890 ist mit der Einführung des Hoffmann’schen Ringofens eng verbunden.
Die Industrialisierung Mitteleuropas in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war von einer hohen Bevölkerungszunahme begleitet. Der Bedarf an Wohnungen hatte daher eine starke Bautätigkeit zur Folge, die der Baustoffindustrie einen enormen Aufschwung brachte. Es entstanden vielerorts Ziegeleien, die mit dem 1858 entwickelten Hoffmann’schen Ringofen arbeiteten.
2. Vorläufer der Jesteburger Ziegelei Körner
Die Umgebung von Jesteburg wies an einigen Stellen ergiebige Glimmertonvorkommen aus, den Grundstoff zur Ziegelherstellung. So war es nicht verwunderlich, dass in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Kamerun und Hassel Ziegeleien ihren Betrieb aufnahmen. Wie damals üblich, betrieb man die Ziegelherstellung im sogenannten Feldbrand.
Kamerun Ziegelei
Die Kameruner Ziegelei befand sich bei dem Grundstück von Hans Koch, Kamerunweg 68. Noch heute sind zwei runde Koller auszumachen, in denen der gewonnene Ton mit Pferden verarbeitungsfähig geknetet wurde. Einer dieser Koller liegt direkt am Weg, der andere weiter im Gelände. Man findet außerdem noch Haufen von Ziegelschutt, die aber im Laufe der Jahre zugewachsen sind. Die Jesteburger nannten das Koch’sehe Haus damals Schuppen. Es besaß die Hausnummer 1b und gehörte zum Vogtshof des Barons von Löwenstein in Jesteburg. Der Vogtshof hatte die Hausnummer 1.
Die Kameruner Ziegelei hat ihren Betrieb vermutlich kurz vor dem 1. Weltkrieg (1914 – 1918) eingestellt.
Hasseler Ziegelei
Im Jahre 1799 kam die Familie Johann Christoph Schween von Holm nach Hassel und gründete eine Anbauerstelle, der bald danach der Betrieb einer Ziegelei folgte. Es entstand eine sogenannte Handziegelei, d.h. man brachte den Ton mit der Hand in Formen. Die daraus gewonnenen Rohlinge waren die Handstrichziegel. Der Transport des Tones erfolgte mittels Kipploren, die von einem Pferd gezogen wurden. Im Zuge einer Modernisierung baute man kurz vor dem 1. Weltkrieg noch eine Dampfmaschine, um eine Ziegelpresse zu betreiben. In dieser Zeit waren 10 bis 15 Ziegeleiarbeiter unter dem Ziegelmeister Döscher tätig.
Eine Reihe von Jesteburger Häusern sind aus Hasseler Ziegelsteinen errichtet worden, z.B. die Wohnhäuser von Mahnke, Schlüter und Spethmann. Die Hasseler Ziegelsteine sind auch unter heutigen Maßstäben Qualitätsware gewesen. Die Steine sehen jetzt noch so gut aus, als wären sie erst kürzlich gebrannt worden. Das Haus Mahnke in Dreihausen entstand im Jahre 1914 aus Hasseler Ziegelsteinen. Es ist deshalb erwähnenswert, weil Schmucksteine verwendet wurden, die von den Ziegeleiarbeitern nach Feierabend und auf Bestellung extra angefertigt und gebrannt worden sind. Mit dem Verkauf dieser Schmucksteine besserten sie ihren geringen Lohn auf. In der Saison brachte Schween seine Ziegeleiarbeiter auf dem Dachboden seines Wohnhauses unter und beköstigte sie auch. Das Bargeld war wohl im Hause Schween immer recht knapp bemessen, so dass die Entlohnung oftmals in Naturalien erfolgen musste. Für seine Tätigkeit erhielt beispielsweise der Arbeiter Mahnke einen Geländestreifen an der Wiese in Dreihausen, auf dem heute die Häuser der Familien Mahnke, Steudle und Wiegels stehen.
Aus Kohlenmangel stellte die Hasseler Ziegelei im 1. Weltkrieg den Betrieb ein. Die letzten Rohlinge mussten noch mit Holz gebrannt werden. Der endgültige Abbruch erfolgte in den Jahren 1918 bis 1923. Der neu gebaute Schornstein und die neuen Maschinen waren nur drei oder vier Jahre in Betrieb. Das Abbruchmaterial erstanden die Dorfbewohner, um es für eigene Zwecke zu verwenden.
3. Die Jesteburger Ziegelei Körner
Der Hamburger Unternehmer Heinrich Körner (Foto links) betrieb um 1880 in Fleestedt eine Ziegelei. Da dort die Tonvorkommen, das Grundmaterial zur Ziegelherstellung, weitgehend ausgebeutet waren, musste sich Heinrich Körner nach einem neuen Standort für seine Ziegelei umsehen. Die Voraussetzungen dafür bot das Dorf Jesteburg und seine nähere Umgebung. Es verfügte über ausreichende und geeignete Tonvorkommen und war außerdem durch die Eisenbahn verkehrstechnisch erschlossen.
Als er die Entscheidung für Jesteburg als Standort seiner neuen Ziegelei getroffen hatte, bemühte er sich um eine Wohnung als Zweitwohnung im Dorf. Er kaufte das Haus von Gustav Körner an der Harburger Chaussee, der späteren Maschinenfabrik Albin Körner. Trotz der Namensgleichheit bestand kein verwandtschaftliches Verhältnis. Nach einer Verordnung des Hamburger Senats duldete man damals keine Zweitwohnungen für Hamburger Bürger. Heinrich Körner gab daher seine Wohnung in Hamburg in der Isestraße auf und zog endgültig nach Jesteburg.
Heinrich Körner erwarb zunächst von Maria Wähler ein 10 Morgen (ca. 25.000 qm) großes Stück Land im heutigen Gebiet von Fünfhausen. Er beabsichtigte, dort seine neue Ziegelei zu errichten. Diese sollte in der Nähe der Tongrube liegen, die sich südlich der Straße nach Asendorf, unweit des Brettbaches an der Kamerunstraße, befand. Er ließ fünf Wohnhäuser für die Stammarbeiter seiner Ziegelei bauen. Wirtschaftliche Überlegungen gaben aber dann den Ausschlag, die Ziegelei nicht in Fünfhausen, sondern möglichst nahe am Gleiskörper der Eisenbahn zu errichten. Damit wurde auch die wichtige Frage des Transports der fertigen Ziegel gelöst. Denn Jesteburg verfügte zu dieser Zeit schon über einen Haltepunkt für den Güterverkehr, welcher nach den bestehenden Planungen als Bahnhof für den Personenverkehr ausgebaut werden sollte.
Als die Entscheidung für den Aufbau der Ziegelei in Bahnhofsnähe gefallen war, parzellierte Heinrich Körner die 10 Morgen Land in Fünfhausen in fünf Teile zu je zwei Morgen (ca. 5.000 qm) und verkaufte das Gelände. Dafür erwarb er von der Kirchengemeinde ein großes Grundstück des heutigen Gebietes an den Straßen “Ziegeleiweg” und “Seevetal“. Bei diesem Standort musste allerdings ein etwa drei Kilometer langer Transportweg für eine Feldbahn von der Tongrube zur Ziegelei in Kauf genommen werden. Die Unterhaltung dieser Strecke war sehr kostenaufwendig, wie der spätere kaufmännische Leiter Herbert Ohde, ein Neffe des Ziegeleibesitzers Körner, berichtete.
Im Jahre 1899 wurde die Jesteburger Ziegelei mit dem erwähnten Hoffmann’schen Ringofen erbaut. Er ermöglichte die Fertigung der Ziegelsteine und Dachziegel in großer Stückzahl. Außerdem entstanden ein Maschinenhaus mit einem 51 Meter hohen Schornstein und einer Dampfmaschine zur Krafterzeugung und zwei große, hölzerne Trocknungsschuppen, die die Ausmaße von etwa 10 mal 60 Metern hatten und etwa 2,50 Meter hoch waren.
Dazu kamen zwei kleinere Schuppen und eine Ziegelpresse. Das Kontor befand sich im ehemaligen Gebäude der Schlachterei von Klaus Maack, heute griechisches Restaurant, Hauptstraße 90. Hier wohnte auch der jeweilige Ziegelmeister. Vom ursprünglichen Haus war nur eine Hauswand an der Südseite erhalten geblieben. In den 20er Jahren entstanden am heutigen Ziegeleiweg zwei Doppelhäuser für die Stammarbeiter und ihre Familien. Diese Häuser sind heute noch vorhanden: Enk und Keller. Gegenüber dem Restaurant an der Straße “Am Ilksberg” stand ein Wohnhaus mit Teerdach, unter dem sich ein Trockenboden für Pferdefutter befand. Es wurde nach dem Kriege abgerissen. Heute gibt es an dieser Stelle die Siedlung Seevetal. Die Saisonarbeiter, z.B. aus Schlesien und Thüringen, wohnten in einem Raum unterhalb des Trockenbodens im Gebäude der Ziegelei. Dort waren auch die Sozialwohnungen: ein Frühstücksraum, eine Dusche, ein Fahrradraum und ein Wäscheraum. Die Saisonarbeiter schliefen auf Strohsäcken. Die Duschanlage wurde 1935 eingebaut.
Auf dem Ziegeleigelände legte man Sumpfgruben an, in denen der abgebaute Ton aufbereitet werden musste. Je nach Art des Tons setzte man in diesen Gruben neben Wasser auch Sand oder feinen Kies zu, um das Rohmaterial entsprechend forrmfähig und qualitativ einwandfrei zu mischen.
Von der Tongrube, die eine Größe von annähernd sechs Morgen (ca. 15.000 qm) hatte, kann man heute noch Teile erkennen. Nach Entfernung des Abraums gelangte man an die eigentlich verwertbare Tonschicht, die eine Dicke von fünf bis sechs Metern hatte. Der Abraum wurde an die Teiche gekippt. Dadurch entstanden sechs bis sieben Meterhohe Böschungen.
Der Ton musste zunächst in Handarbeit abgegraben werden. Das war eine sehr schwere Arbeit, weil er oft am Spaten festklebte. Die Arbeiter benutzten daher Wassereimer, in die sie die Spaten immer wieder eintauchten, um den Ton gleitfähiger zu machen, damit er besser in die Kipploren geschaufelt werden konnte. Mit fortschreitender Technik grub dann ein Bagger den Ton ab.
In der Anfangszeit der Ziegelei zogen zwei Pferde den Lorenzug, der aus zwölf Wagen bestand. Als Kutscher war Ernst Peters für den reibungslosen Ablauf verantwortlich. Trotz des geringen Verkehrs in der damaligen Zeit war beim Übergang an der Asendorfer Straße immer besondere Vorsicht geboten.
Das galt noch mehr ab Anfang der 30er Jahre, als die Pferde ausgemustert und durch eine Krupp’sche Diesellok mit Führerhaus ersetzt wurden. Sie verkehrte im Pendelverkehr von der Tongrube zur Ziegelei bis zum Beginn des 2. Weltkrieges im September 1939.
Wenn am Sonntag die Arbeit ruhte, eroberte die Dorfjugend die Loren als willkommenes und reizvolles Spielzeug. Sie durfte sich dabei aber nicht erwischen lassen, denn sonst gab es vom Ziegelmeister die Jacke voll.
Kam ein Lorenzug auf dem Ziegeleigelände an, kippte man den gewonnenen Ton in die vorhandenen Sumpfgruben. Je nach der Beschaffenheit des angelieferten Tons mussten Wasser, Sand oder feiner Kies zugesetzt werden, um die Rohmasse verarbeitungsfähiger zu erhalten. Für das richtige Mischungsverhältnis zeichnete der Ziegelmeister verantwortlich.
Die fertige Mischung musste mit der Hand auf ein Laufband geschaufelt werden und landete im Kollergang. Dieser bestand aus zwei gegeneinander laufenden großen, eisernen Walzen, welche die Masse mahlten und durch ein eisernes Sieb pressten. Das Quetschgut gelangte über ein Förderband zur eigentlichen Ziegelpresse. Den von der Ziegelpresse vorgeformten Tonstrang zerteilte dann ein flitzbogenähnlicher Draht in die vorher bestimmte Steingröße. Dabei musste immer wieder Wasser zugesetzt werden, um die Rohmasse stets geschmeidig zu halten. Nun begann ein umständlicher Arbeitsgang, der den Arbeitern Ausdauer und Körperkraft abverlangte. Je drei der geformten Rohlinge mussten mit der Hand in einen Elevator gesetzt werden. Er transportierte sie zu den bereitstehenden Etagenwagen. Hier standen Arbeiter bereit und füllten die Wagen voll, die darauf zu den Trocknungshallen geschoben wurden. Die Rohlinge wurden mit der Hand “auf Luft” eingestapelt. Sie blieben in diesem Zustand 10 bis 14 Tage je nach Wetterlage. Durch Verstellen der Seitenwände musste darauf geachtet werden, dass die Rohlinge stets den richtigen Luftzug erhielten, um formbeständig zu bleiben. Nach ofengerechter Abtrocknung transportierte man sie mit eigens dafür bestimmten Schiebkarren zu den Brennkammern im Ringofen. Hier mussten sie in mühevoller Handarbeit eingestapelt werden.
Der Hoffmann’sche Ringofen war das Herzstück der Ziegelei. Er bestand aus einem gemauerten, großen, ovalen Tunnel, der innen einzelne Kammern mit einem Zugang von außen besaß. Auf dem Ringofen befanden sich in Abständen jeweils Schüttlöcher für die Kohlen. Die eingestapelten Rohlinge wurden bei einer Hitze von 1100 bis 1200 Grad gebrannt. Um diese Brenntemperatur auch gleichmäßig halten zu können, mussten die Ofenwandungen entsprechend dick gemauert sein.
Die York’sche Ringelkohle, ein Import aus England, eignete sich als Feuerungsmaterial für den Klinkerbrand am besten. Sie musste beim Brand stets gleichmäßig durch die auf dem Ofen befindlichen Schüttlöcher nachgefüllt werden. Daher versahen die Brenner auch Tag und Nacht ihre Arbeit. Am Ringofen befanden sich in regelmäßigen Abständen Ein- bzw. Ausfuhröffnungen, die sehr niedrig gehalten waren. Es gehörte eine große körperliche Anstrengung dazu, die schweren Schiebkarren mit den Rohlingen in gebückter Haltung hindurchzuschieben. Der Raum zwischen den Ein bzw. Ausgängen bildete die Brennkammer. Nach der Befüllung wurde der Eingang zugemauert, und der Brennvorgang konnte beginnen. Das Feuer im Ringofen durfte niemals erlöschen. Es wurde durch Zugluft gelenkt, damit es von Kammer zu Kammer weiterlaufen konnte. Die Ringförmigkeit des Ofens ermöglichte eine kontinuierliche Befüllung oder Entnahme der fertigen Ziegelsteine. So bestand ein ständiger Kreislauf. Nach dem Vollsetzen einer Kammer deckte man den Steinstapel mit Schiwatpapier, einer Art Pergamentpapier, ab. Anschließend leitete der Heizer Zugluft in die Kammer. Dadurch saugte sich das Schiwatpapier am Steinstapel fest und verhinderte eine Beeinträchtigung der Rohlinge, zog aber gleichzeitig das Feuer an. Nach Beendigung des Brennvorgangs mussten die vorher zugemauerten Eingänge wieder geöffnet werden. Die fertig gebrannten Steine konnten entnommen werden. Die Arbeiter trugen als Schutz gegen die heißen Ziegel Lederflecken an den Händen. Trotzdem war eine gewisse Routine nötig, um sich nicht die Hände zu verbrennen. Diese Tätigkeit galt in der Ziegelei als die härteste Arbeit überhaupt.
Im Ringofen waren stets drei Kammern in Betrieb. Eine Kammer wurde mit Rohlingen befüllt, eine brannte und der dritten wurde das fertige Produkt entnommen. Dazu standen noch drei Ausweichkammern zur Verfügung. Jede Kammer hatte eine Länge von vier bis fünf Metern. Bei der Entnahme der Steine erfolgte gleich eine Sortierung nach den Güteklassen I, II, III sowie Ausschuss. Die Jesteburger Ziegelei stellte als Normsteine hauptsächlich das Hamburger- und das Reichsformat her, und zwar als Klinker, Buntklinker, Vor- und Hintermauersteine. Der Preis pro Tausend lag in den 20er Jahren bei 28,00 RM. Der Jahresausstoß betrug drei bis vier Millionen Stück. Die Ziegelei in Brackel lag mit ihrer Jahresproduktion etwas darüber.
Um ein übersteigertes Konkurrenzdenken auszuschließen, gründete man 1932/33 eine Steinverkaufsvereinbarung. Den Anstoß dazu gab Heinrich Körner. Er war bereits Vorsitzender des Ziegeleiverbandes in Deutschland. Zu dieser Vereinigung mit Sitz in Buchholz schlossen sich die Ziegeleien in Jesteburg, Brackel, Scharmbeck und Wistedt zusammen. Durch die Steinverkaufsvereinbarung sollte dafür gesorgt werden, den angeschlossenen Ziegeleien die Aufträge so zuzuteilen, dass ihre Produktionskapazität möglichst gleichmäßig ausgelastet war.
Die Steine der Jesteburger Ziegelei besaßen eine hervorragende Qualität und waren weit über die Grenzen des Dorfes hinaus bekannt und begehrt. Ein Grund mag gewesen sein, dass die Ziegelmeister stets den Ehrgeiz hatten, nur beste Ziegelsteine und Klinker herzustellen. Das bedeutete allerdings, dass nicht jede Tonart verwendet werden konnte. Später stellte sich diese Einstellung als Fehler heraus, weil sich die erstklassigen Tonvorkommen zu schnell erschöpften. Daher musste neben der Tongrube eine Mutung hinzugepachtet werden, deren Abbau arbeits- und kostenintensiv mit der Hand erfolgte.
Durch den Bau des Kalksandsteinwerkes in Maschen Anfang der 30er Jahre erhielt die Jesteburger Ziegelei eine harte Konkurrenz. Der Absatz von Ziegelsteinen der Güteklassen II und III als Hintermauersteine stagnierte. Die Kunden griffen dafür auf die preiswerteren Kalksandsteine zurück. Um aber weiter im Geschäft zu bleiben, musste die Jesteburger Ware zu einem geringeren Preis angeboten werden. Dies wirkte sich wiederum auf den Umsatz aus.
Im Jahre 1925 beschäftigte die Jesteburger Ziegelei in der Saison 42 Arbeitskräfte in den unterschiedlichsten Funktionen. Die Arbeitszeit dauerte täglich außer sonntags von 6:00 bis 18:00 Uhr. Der Stundenlohn lag bei 48 Pfennigen. Urlaub gab es nicht, obwohl sieben Tage vorgesehen waren. Wer aber davon Gebrauch machen wollte, konnte sich als entlassen betrachten. Ab 1930 wurden dann aber offiziell drei Urlaubstage pro Saison ausgehandelt und auch gewährt.
Der Transport der Ziegeleierzeugnisse nach außerhalb wickelte sich zuerst hauptsächlich mit der Eisenbahn ab. Man transportierte sie mit dem betriebseigenen Fuhrwerk zur Verladerampe. Dort wurden die Steine mit der Hand in die bereitstehenden Waggons verladen. Schon vor dem Krieg bestanden Fuhraufträge mit der ortsansässigen Firma W.H. Bahlburg, den Harburger Baustofffirmen Delmes und Elgehausen sowie der Hamburger Firma Plambek. Die Baufirmen holten ihren Bedarf meistens in der Ziegelei direkt ab. Aber auch andere Firmen wurden beauftragt, die Steine zu den jeweiligen Bestellern zu bringen. Kleinere Aufträge erledigte Kutscher Riebesell mit seinem Gespann. Er kutschierte vor allem in Gegenden, in denen schlechte Wegeverhältnisse bestanden. Eine Fuhre mit Anhänger fasste 1000 Steine.
Die Jesteburger und die Bewohner der umliegenden Dörfer nutzten die Nähe der Ziegelei. Sie errichteten ihre Neubauten zum überwiegenden Teil mit Steinen der Körner’schen Ziegelei, dazu gehörten u.a. die Schule am Sandbarg, das Haus von Fritsche, die Häuser in Fünfhausen, Gebäude in Salem, das Haus von Kühn in der Hauptstraße, die letzten drei Häuser an der Straße von Asendorf nach Dierkshausen. Der Bauunternehmer “Fisch-Karl” hat eine Reihe auch dieser Häuser gebaut. Er war ein Original und weit bekannt.
In den 20er Jahren erwarb Heinrich Körner ein Grundstück am Kleckerwaldweg Ecke/Korndiek und ließ darauf von einem Harburger Architekten eine Villa (heutige Ansicht Foto links) errichten. Dazu wurden selbstverständlich rote Vormauersteine aus der eigenen Produktion verwendet. In dieser Villa starb Heinrich Körner 1932. Seine Witwe heiratete später den Kapitän Tschorn. Das Haus wechselte die Besitzer und wurde 1990/91, nachdem Düscher es erworben hatte, etwas umgebaut. Die Villa ist ein Dokument für den Gründergeist in der 1. Hälfte dieses Jahrhunderts in Jesteburg. Die Ziegelei Jesteburg bestand aus einer Erbengemeinschaft von 16 Personen, der u.a. Herbert und Artur Ohde angehörten.
Eines der bemerkenswertesten, künstlerisch einmaligen Gebäude ist der Bossard-Tempel in Wiedenhof. Dieser Kunsttempel wurde von der Jesteburger Baufirrna W.H. Bahlburg nach Plänen des Malers und Bildhauers Johann Michael Bossard (1874-1950) errichtet. Dieser benutzte als Baumaterial u.a. Fehlbrandklinker der Jesteburger Ziegelei und reiste auch in ganz Deutschland herum, um solche Steine aufzutreiben, die der künstlerischen Ausgestaltung des Projekts in Wiedenhof dienlich waren. Der Bossard-Tempel ist eine der großen Sehenswürdigkeiten Jesteburgs und lockt viele Besucher an.
In der Freien und Hansestadt Hamburg wusste man die Güte der Jesteburger Buntklinker beim Bau des Sprinkenhofs und des weltbekannten Chilehauses zu nutzen.
Wie alle anderen Ziegeleien arbeitete auch die Jesteburger Produktionsstätte als reiner Saisonbetrieb. Die Hauptzeit begann Mitte Mai und endete im Oktober mit dem Frosteinbruch. Im Jahre 1925 beschäftigte die Jesteburger Ziegelei beispielsweise 40 bis 50 Arbeitskräfte. Für den reibungslosen Betrieb sorgten die Ziegelmeister: vor dem Krieg Kern, Koch, Adrian, Trompeter; nach dem Krieg Woempner, der 1946 kam, Pieper und Szepanek, der bis zum Schluss tätig war. Ihrer Aufsicht unterstanden die Ziegeleiarbeiter. Folgende Namen sind noch bekannt:
August Riebesell als Kutscher, Rudolf Behr als Ofensetzer, Ludwig Cylonka als Heizer, Gustav Münch, Christian Kleuters, die Maschinisten Fritz Tödter und Böhlke, Ernst Domrös, Hermann Anhalt, Hein Erhorn, Hermann Rieckmann aus Lüllau, Ernst Peters als Kutscher und später als Lokführer, Zimmermann Otto Nehmann, Hermann Strate als Brenner, Heinrich Thiele, Haig als Stapler, Heinrich Putensen als Stapler, Friedrich Putensen im Sumpf, Löffelbein im Sumpf, Gustav Meyer an der Presse, Gustav Stöber als Wagenschieber, Ernst Schween aus Hassel als Wagenschieber, Heinrich Luttmer als Ofenschieber, Richard Müller als Reinschieber, Wilhelm Lewerenz als Mischer, Wilhelm Wiechern als Wagenschieber, Otto Mahnke als Wagenschieber, Fritz Menzel als Ofenschieber, Friedrich Raschkowski als Ofenschieber und Rudi Behr, der mit 14 Jahren für leichtere Arbeiten eingesetzt wurde.
Im Jahre 1940 stellte die Jesteburger Ziegelei ihren Betrieb zum ersten Mal ein und wurde ganz stillgelegt. Die Schuppen und auch die übrigen Gebäude nutzte die Deutsche Wehrmacht. Sie richtete ein bewachtes Depot ein, in welchem Fahrzeuge sowie verschiedenes Gerät untergebracht waren. Man erzählte sich damals im Dorf, dass der Schornstein ein Richtungspunkt für Fliegerangriffe sein könnte. Aus diesem Grunde wurde er wahrscheinlich kurzerhand gesprengt.
Durch die Zweckentfremdung als Wehrmachtsdepot waren die Produktionsanlagen der Ziegelei funktionsunfähig geworden. In den Jahren nach dem Krieg mussten sie neu aufgearbeitet werden. Zunächst ging man daran, das Schienennetz von der Tongrube bis zur Ziegelei herzurichten. Der Ringofen musste repariert und teilweise erneuert, die Lagerregale mussten neu gelattet sowie die Presse und das Rührwerk funktionsfähig gemacht werden. Zuerst erledigte man alle Arbeiten im Handbetrieb, da es noch keine maschinellen Hilfen gab. Die erste technische Errungenschaft war das reparierte Förderband, das den gemahlenen Ton zur Presse transportierte. Den während des 2. Weltkrieges gesprengten Schornstein ersetzte man durch einen kleineren mit einem Gebläse. Als sich die Anwohner wegen der stärkeren Rauchbelästigung beschwerten, kam es 1950 zum Bau des 51 Meter hohen Schornsteins.
Nach und nach fanden sich auch Teile der ehemaligen Belegschaft ein, die vorher in der Ziegelei gearbeitet hatten. Der erste Ziegelmeister hieß Woempner, ihm folgten Pieper und Szepanek. In der Anfangszeit betrug der Stundenlohn 87 Reichspfennige. Er erhöhte sich kontinuierlich, so dass er nach der Währungsreform 1948 bei 1,20 bis 1,80 DM lag. Als Teile der Belegschaft im Akkord arbeiteten, war der Stundenlohn zweitrangig geworden.
Die Jesteburger Ziegelei gehörte neben dem Sanatorium Heidehaus sowie dem Zimmereibetrieb W.H. Bahlburg zu den gemeindetragenden Betrieben. Sie bestritten in ihrer Blütezeit etwa 2/3 der Dorfeinnahmen.
Im Jahre 1957 stellte die Jesteburger Ziegelei dann zum zweiten Mal und endgültig nach fast 60jähriger Geschichte den Betrieb ein. Die Gründe lagen wohl in den überalterten Betriebseinrichtungen, dem zunehmend minderwertigen Ton und der Konkurrenz des aufstrebenden Kalksandsteins. Die Körner’sche Ziegelei wurde schließlich in den Jahren 1959/60 endgültig abgebrochen.
Die Sprengung des 51 Meter hohen Schornsteins durch die Harburger Pioniere am 29.01.1960, von vielen Zuschauern gespannt verfolgt, war für die Dorfbewohner ein Erlebnis mit gemischten Gefühlen, denn damit verschwand ein weithin sichtbares Wahrzeichen Jesteburgs, das außerdem manch spätem Zecher den Weg in die heimatlichen Gefilde gewiesen hatte.
Von der humorvollen Seite betrachtet Willem vun de Elv dieses Ereignis in seiner Hamburger Mundart:
Uns ole Schosteen
In Jestborg, dor an de Bohn hett lange Tid een Schosteen stohn!
Mancheen hett em düchdig priest, hett he doch den Weg em wiest!
Denn Lüchtturm weer he oft för de, de sich een’n kofft!
Denn so manch een gode Mann, de keek sich erst den Schosteen an!
Denn he stunn jo jümmers dor för jeden, den de Kopp nich klor!
Harr he em seen, em in Sinn, denn funn he ook no Hus bald hen!
Dat is nu’n beusen Schiet, denn vörbi is nu de scheune Tid!
Dat is nich mehr wie jümmer: De Schosteen liggt in Trümmer!
Giv’t nu’n Lütten oder Groten, muß’t up’n Kompaß die verloten!
Denn wat bitlang de Schosteen weer, dat givt dat nu nich mehr!
Heute befindet sich auf dem ehemaligen Ziegeleigelände die Wohnsiedlung Seevetal.
4. Der Lorenweg
Vom Gelände der ehemaligen Ziegelei aus ging der Lorenweg über die Fußgängerbrücke (“Lorenbrücke“) geradeaus über den “Marxener Weg” etwa 300 Meter weit, knickte vor dem Sportplatz rechtwinklig nach rechts zur Straße “Zum Alten Moor” ab, zog sich unterhalb der Böschung der Sportplätze entlang, bog in Höhe des Jugendzentrums zur Mitte des Parkhotels ab, überquerte die Landstraße nach Asendorf ungefähr 25 Meter hinter der Gärtnerei Behrens und führte rechts neben dem Weg “Tanneneck” parallel zum Brettbach stetig ansteigend bis zur Tongrube. Auf halbem Wege liegen noch heute einige Schienenreste.
Auch in der Tongrube befinden sich noch Schienenreste und Teile des zuletzt dort benutzten Eimerbaggers.