Der Blutstein

Grausige Eifersucht

- Zwei Tote im dunklen Forst

Seinen dritten Namen, ,,Blutstein”. trägt er von einer grausen Begebenheit, die sich dort im Waldesdickicht einst abspielte.

Im Dorfe Seppensen liebte des Vogts einzige Tochter, die blonde, blauäugige Lene, den jungen, hübschen Jäger im Forsthause der Herrschaft Lohbergen, und jedermann glaubte, dass, wenn der alte Förster, ein hoher Siebziger, die Augen schlösse, dann der junge Jäger Marten zum Förster ernannt und die beiden Liebenden ein glückliches Ehepaar werden würden.

Endlich starb der alte Förster. Von Lüneburg her aber wurde ein neuer Förster für Lohbergen ernannt: ein heruntergekommener Mensch, der jedoch von Adel war, hohe Fürsprache besaß, auch als vortrefflicher Schütze galt und für alles, was er nicht wusste, an Marten einen ausgezeichneten, tüchtigen Gehilfen hatte.

Der Förster sah bald die blonde Lene, verliebte sich in sie und gewann die Gunst ihres Vaters, der gerne mit seinem schönen Kinde hoch hinaus wollte. Als er um Lenes Hand anhielt, da gab der Alte seine Einwilligung, und aller Bitten und allen Jammerns ungeachtet, musste die Tochter des neuen Försters Weib werden.

Das würde nimmer gut tun, sagten da die Leute, das könne nur Unglück bringen. Und sie behielten recht. Die Ehe wurde höchst unglücklich; schon nach kurzer Zeit misshandelte der rohe Mensch sein Weib, sobald er angetrunken war, und wenn die arme Frau den Marten nicht zur Seite gehabt hätte, so wäre sie schier verzweifelt und würde sich selber ein Leid angetan haben.

Der Jäger Marten war ein rechtschaffener, ehrlich denkender Mensch. Anfangs hatte er davongehen und in die weite Welt hinauswandern wollen, aber die Lene hatte ihn beschworen zu bleiben, und er blieb, um sie zu beschützen.

Der Hundejunge des Försters beobachtet Lene und Marten im Walde

So war das frühere Liebespaar miteinander unter einem Dache. Das Forsthaus lag einsam, tief im Wald versteckt. Durch den Wald führte der Hauptweg, der die Ortschaften miteinander verband; Forsthaus und Wald waren verschwiegen und verrieten nichts von den Vorgängen, deren Zeugen sie vielleicht waren. Aber Menschenaugen spähen und werden zu Verrätern, und so hatte denn auch der Hundejunge, den der neue Förster sich von Lüneburg mitgebracht hatte, gemerkt, dass die Frau Försterin mit dem Marten tief im Waldesdickicht, abseits von der Fahrstraße nahe dem ” Hexenstein”, Zusammenkünfte hielt. Und was der listige Junge erlauscht hatte, das berichtete er getreulich seinem Herrn.

Tags darauf gab der Förster vor, nach Lüneburg reiten zu müssen. Als er aber eine kurze Strecke geritten war, trat der von ihm dorthin bestellte Hundejunge aus dem Walddickicht hervor. Der Förster gab ihm sein Pferd und ging dann selber auf einem Umweg nach dem „Hexenstein”. Bewaffnet mit einer Jagdflinte, erstieg er vom Waldweg aus den Hügel und kauerte sich hier, wohlversteckt, im Gebüsch nieder. Er vermochte von hier aus in den Wald nach dem Platz zu lugen, wo sein ungetreues Weib ihr Stelldichein abhalten sollte. Er brauchte nicht lange zu warten, da tauchte das Paar, Arm in Arm gehend, aus dem Walddunkel hervor und setzte sich an einer lichteren Stelle auf eine von der Natur gebildete Rasenbank nieder. Die Gesichter des Paares waren dem Spähenden zugekehrt. Der Förster sah, wie der Jäger dem ungetreuen Weibe über das blonde Wellenhaar strich, wie sie ihn mit ihren schönen, blauen Augen, die gar seltsam glänzten, liebend und schmachtend anblickte. Und der Förster erhob das todbringende Rohr, er legte den Lauf auf den „Hexenstein” – der Hahn des Gewehres knackte.

Im selben Augenblick war des Jägers scharfes Auge – war’s Zufall, war’s Geschick? – auf den Hexenstein gerichtet. Er erkannte den Kopf des Försters, erkannte zugleich die Gefahr – sah die kleine Mündung des auf ihn gerichteten Gewehrs. Ein Moment, und auch seine Flinte war, indem er aufsprang, in Anschlag gebracht. Zwei Schüsse krachten zur gleichen Sekunde durch die Stille des herrlichen Sommermorgens. Der Jäger Marten griff nach seiner Brust und fiel vornüber zur Erde nieder – der Förster sank mit dem Haupte auf den „Hexenstein”, und ein Blutstrahl, der aus der zerschmetterten Stirn des Mannes floss, färbte die Platte des Steines purpurrot. Das Fürchterliche war geschehen. Die Männer hatten sich gegenseitig gut getroffen, zwei blutige Leichen lagen da.

Die Erschossenen wurden noch am selben Tag gefunden, die Försterin, die schöne Tochter des Vogts von Seppensen, war verschwunden. Erst zwei Wochen später entdeckte man am Ufer des damals noch vorhandenen Waldweihers im Schilfe den Leichnam einer Ertrunkenen, es war die unglückliche junge Frau des Försters.

Scheu und ängstlich schlichen die Menschen an dem Hügel, auf dem der Stein lag, von Moos und Schlingkraut fast verdeckt, vorüber, ein stilles Gebet sprechend.

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